Ein prachtvoller Garten, saftiges Grün, farbintensive Blüten - der Stolz eines jeden Hobbygärtners. Ein vermeintlich gesunder, vitaler Lebensraum. Ein paar kleine Singvögel, Hummeln und Libellen – ein Eichhörnchen jedoch, jener anmutiger und flinker Baumbewohner, wurde seit langer Zeit nicht mehr gesehen.
„Wohl in den Wald abgewandert“ vermutet der Gärtner.
Nein, das Muttertier hat den Überlebenskampf im menschlichen Garten verloren und ihre fünf Jungtiere sind qualvoll verhungert. Ein Zuwandern aus benachbarten Gebieten ist nicht möglich, denn alle hohen Bäume ringsum wurden in den letzten drei Jahren systematisch gefällt.
Was ist hier passiert?
Das tote Muttertier wurde im Garten aufgefunden, deutlich sichtbar die Zitzen, ein Anzeichen, dass es noch zu säugende Jungtiere gab. Alle vier Pfoten hatten offene Wunden an den Laufflächen und die veterinärmedizinische Untersuchung ergab, dass das Eichhörnchen an einer Vergiftung gestorben ist. Eine Vergiftung durch Garten-dünger.
Diese Geschichte wiederholt sich jedes Jahr mehrfach in nur einer einzigen unserer Auffangstationen. Eine statistische Hochrechnung auf alle Stationen plus die Dunkel-ziffer der unbemerkten Opfer lässt eine erschreckende Anzahl an vergifteten Tieren in unseren heimischen Gärten zu.
Wir als Verein sprechen hier nur von kleinen Gartenwildtieren, wie unseren Eichhörnchen. Doch auch die Tierarztpraxen haben jährlich unzählige vergiftete Haustiere durch Düngemittel und Pestizide zu verzeichnen.
In der folgenden Auflistung möchten wir anhand von Beispielen versuchen, die Gefahrenquellen durch Dünger und Pestizide aufzuzeigen und Zusammenhänge kurz und leicht verständlich zu erklären.
1. Düngemittel:
Nitrophoska (Blaukorn)
- Immer noch sehr beliebt, da kostengünstig, obwohl grundwasserschädigend
- findet häufig in Parks oder großen Anlagen Verwendung und wird der Einfachheit halber oben aufgestreut, anstelle es einzuarbeiten.
- Ein sommerlicher Platzregen z.B. löst die Körner sofort auf und es entsteht ein blau-grau gefärbter Wasserstand, der sich überall gut verteilt, bevor das Wasser versickert.
- Alle Säugetiere, ob Haus- oder Wildtiere, die über diese Fläche laufen tragen Verätzungen an den Laufsohlen davon. Die brennenden Wunden werden sauber geleckt und die Vergiftung ist perfekt - für kleinere Säugetiere endet dies immer tödlich!
Düngekugeln mit sogenannter Langzeitwirkung
2. Biozide und Rodentizide
Die meisten Biozide wirken durch sogenannte „Lockmittel“. Zwar wird in den jeweiligen Beschreibungen deutlich suggeriert, dass diese Lockmittel nur eine einzige Tierart anlocken – dies stimmt aber leider nicht.
Das eigentliche Gift wirkt meist erst nach 2-3 Tagen, damit sich die Tiere zurückziehen und es keine „sichtbaren“ Toten gibt.
Mäusekorn
- kleine Körner, meist auf der Basis von Getreide
- wird überall frei zugänglich ausgestreut, ob Garten- haus, Geräteschuppen oder Fahrradraum. Zu diesen Räumlichkeiten haben auch Eichhörnchen meist unbemerkt freien Zutritt und kommen somit in direkten Kontakt mit den Körnern
Taubengiftkörner
- meist Verwendung von Rattengift
- werden ebenfalls frei überall platziert - zugänglich für alle Körnerfresser sowie für Eichhörnchen, Garten- und Siebenschläfer
Schneckenkorn
- Auch Schneckenkorn ist mit Lockstoffen, die vorwiegend einem süßlichem „Obstgeschmack“ gleichkommen, versetzt.
- Haus- und Gartentiere, die diesen süßlichen Geschmack mögen, nehmen so frei zugängliches Gift aktiv durch Aufschlecken auf. Eine passive bzw. ungewollte Aufnahme des Nervengiftes kann hingegen beim Säubern der Pfoten, des Fells etc. erfolgen.
- Selbst geringe Mengen führen zu Vergiftungen mit meist tödlichem Ausgang für kleinere Säugetiere und Vögel.
- Starker Speichelfluss, Erbrechen mit Blut, Koordinationsstörungen, Atemnot, Fieber oder Krämpfe sind Anzeichen dafür und erfordern die sofortige Behand- lung durch einen Tierarzt
Auf die Gefahr für unsere Haustiere, verweist auch das Deutsche Grüne Kreuz (DGK) in Marburg in seinem Informationsdienst "Animal".
Dass Schneckenkorn nicht nur rein artspezifisch wirkt, zeigt sich am Beispiel "Mesurol" mit dem Wirkstoff "Methiocarb", ein Nervengift der Firma Bayer. Dies lässt nicht nur Schnecken sterben, sondern auch Hund, Katze, Igel und Eichhörnchen!
1. Die Bienen im Rheintal sind bereits im Jahr 2008 durch "Mesurol" gestorben, welches daraufhin zunächst vom Markt genommen wurde. (Quelle:DPA)
2. Warum halten wir Kongresse über Artenschutz ab, wenn die Firma Bayer unsere gesamte Natur zerstört und das Gift auch noch von dem Bundesamt für Ver- braucherschutz (BLV) zugelassen wird! Dieses Giftmittel ist seit über 30 Jahren im Handel. Haben wir schon so lange zugesehen! (Komitee für Igelschutz e. V. Hamburg)
Doch nach wie vor gilt das Motto: „Schnecken ohne Ende, Gift ohne Ende.“
Dabei gibt es durchaus auch Alternativmittel, wie z.B. Ferramol der Firma Neudorff mit dem Wirkstoff "Eisen-III-Phos-phat" oder Vergrämungsmittel wie Urgesteinsmehl, Schneckengranulat oder Lebermoosextrakt.
Als Nützling im Garten hat sich vor allem die große Egelschnecke oder auch Tigerschnecke, auch großer Schnegel oder Tigerschnegel genannt, bewährt. Sie frisst die Eier der anderen Nacktschnecken aber auch Aas, Kot und Pilze, sowie modrige Pflanzenreste, geht dabei aber nicht an lebende Pflanzen!
Rattengift
Dem Thema Rattengift müssen wir an dieser Stelle ein paar Zeilen mehr einräumen, weil es dermaßen häufig Anwendung in privaten Haushalten findet, dass hier eine nähere Beschreibung über die Wirkungsweise als dringend notwendig empfunden wird.
Die modernen Rattengifte beruhen auf der Basis von Cumarinen, die, synthetisch hergestellt, als Cumarin-Derivate bezeichnet werden. Ursprünglich sind Cumarine giftige sekundäre Pflanzenstoffe mit süßlichem Duft, daher finden sie auch Verwendung in der Parfümindustrie und werden als Aromastoffe verwendet. Sie wirken blutgerinnungshemmend und werden in der Medizin als „Blutverdünnungsmittel“ bzw. als Antikoagulanz z.B. nach Herzinfarkten oder Gefäßoperationen eingesetzt.
Cumarin-Derivate für den Einsatz als Rattengift sind hochdosiert und mittlerweile in der 3. Generation soweit weiterentwickelt, dass die blutgerinnungshemmende Wirkung für alle Warmblüter gleichermaßen tödlich ist!
Die sogenannte 3. Generation der Cumarin-Derivate hat eine Depot-Wirkung und wird zusätzlich mit Sulfonamiden als „Verstärker“ kombiniert. Sulfonamide verhindern, dass im Körper Vitamin K, das Gegenmittel, gebildet werden kann.
Cumarin-Derivate sind geruchlos, farblos und können am Ort nicht nachgewiesen werden, weshalb sie eingefärbt und mit Lockstoffen versetzt werden. Dabei ist die Vielfältigkeit der Giftträger enorm. So sind vergiftete Weizenkörner mit Nussaroma auf dem Markt, als auch Festköderblöcke, Paste, Pellets und Gel zum Ablecken.
Haftgifte, wie Schaum, Puder oder Pulver werden auf Laufwegen gesprüht/ gestreut, und, wie der Name schon sagt, haften sie an den Laufflächen und werden garantiert abgeleckt!!
Nach der gewünschten oralen Aufnahme der Giftsubstanz zeigen sich zunächst vermeintlich harmlose Symptome, die mit Müdigkeit und Rückzug einhergehen. Erst nach ca. 48 h beginnt die unaufhaltsame Zerstörung der Blutgefäße. Großflächige Einblutungen in die Haut, die Schleimhäute, in Magen und Darm.
Das Drama des qualvollen Verblutens findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ein stilles Sterben einsam und schmerzhaft im Kobel oder, wenn die Kräfte nicht mehr ausreichen, versteckt im Gebüsch.
Der Vollständigkeit halber sei auf die Sekundärvergiftung von Haus- und Raubtieren hingewiesen, die ein schwaches, dem Tode geweihten Eichhörnchen erbeuten.
3. Herbizide
Unkrautmittel, meist Essigsäureverbindungen, zum Aufsprühen. Werden auch auf Gänseblümchen, und Löwenzahnblüten gesprüht - eine Leibspeise von Eichhörnchen!
Essigsäure verursacht Verätzungen der Schleimhäute, was bei kleinen Tieren immer tödlich ist.
So ist zwar im Beipackzettel zu lesen, dass jene Gifte weder fischgiftig noch bienengefährlich seien, doch warum wird kein direkter Gedanke an das nahe gelegenen gerichtet, an Tiere, die sich u.a. von Gänseblümchen ernähren, wie z.B. Kaninchen und Eichhörnchen.
4. Fungizide
Chemische oder biologische Stoffe, um Pilze bzw. deren Sporen (z.B. Blatt-, Baum-, Schimmelpilze) an Obst und Gemüse abzutöten.
Fungizide werden z.B. auf Pflaumen- und Apfelbäume gesprüht, finden Verwendung in Holzschutzmittel für Gartenmöbel und Gartenhäuser. Als „Algenentferner“ oder “Grünbelagentferner“ werden damit oft auch Vogeltränken gereinigt, wobei die Rückstände im Wasser verbleiben.
Fungizide gelangen über den Magen-Darm Trakt in das Tier und verursachen ebenso eine Vergiftung mit schleichendem tödlichem Verlauf.
5. Insektizide
Insektizide werden häufig in Nistkästen oder Gartenhäuser gesprüht, um Wespen und andere Insekten fernzuhalten. Sie wirken neurotoxisch und werden als Kontakt oder Atemgift aufgenommen. So wirkt z.B. Ameisengift, in Form von Granulat, Puder etc., als Kontaktgift, und haftet natürlich auch an den Laufflächen von Eichhörnchen, Igeln, Katzen und Hunden.
Mit Insektiziden wird oft ein flächendeckendes Besprühen von Bäumen u Sträuchern vorgenommen, um Tieren, wie z.B. dem Frostspanner den Garaus zu machen. Zum Einsatz kommen diese Mittel noch vor dem Blattaustrieb. Dabei wird oft kein Unterschied zwischen Ziergehölzen, Obst- oder Waldbäumen gemacht. Diese Blattknospen sind im zeitigen Frühjahr eine der Hauptnahrungsquellen des Eichhörnchens.
Von Bayer wurde z.B. ein Mittel auf dem Markt gebracht, welches speziell für Kernobst entwickelt wurde und bereits während der Blüte gespritzt werden darf. Laut Bayer basiert es auf einem neuen, systemischen Wirkstoff mit Fraß- und Kontaktwirkung. D.h., die „Schadinsekten“ sterben sowohl, wenn sie mit der Spritzflüssigkeit in Berührung kommen als auch, wenn Sie an den gespritzten Blättern saugen und fressen.
Der Wirkstoff Thiacloprid hat eine beachtliche Wirkungsdauer und ist gut pflanzenverträglich. Bienen und Hummeln werden geschont, sonst aber leider niemand. Dieses Mittel unterliegt der Gefahrstoffverordnung und/oder der Chemikalien-Verbotsverordnung. Unsachgemäße Handhabung kann zu schweren gesundheitlichen Schäden führen.
Vergiftungen sind durchweg sehr schmerzhaft und durch einen qualvollen Leidensweg gekennzeichnet. Sie führen früher oder später immer zum Tod.
Laut Barbara Gehring vom WWF ist es die Summe des gesamten Giftcocktails in den Privatgärten, die den Tieren massiv zusetzt.
Ein verantwortungsvoller Umgang, eine sachliche Prüfung über die Notwendigkeit von Dünger, Insektiziden und Pestiziden ist nicht nur eine absolute Pflicht, sondern sollte vielmehr deutlich strengeren gesetzlichen Regelungen unterliegen.
All diese Gifte sind frei erhältlich, können nach eigenem Ermessen dosiert, angewendet, missbraucht werden. Im Namen der deutschen Gartenkultur, wo Sterilität und absolute Ordnung im Vordergrund stehen, bleibt die Natur auf der Strecke. Ein großes Opfer für einen vermeintlich schönen Garten.
Kein Gift ist harmlos, keine Verwendung unbedenklich, Folgeschäden für andere Tiere oft nicht vermeidbar, das sollte man mit dem Gang in das Gartencenter nie ver- gessen.
Sollten wir Sie trotz überzeugender Argumente nicht davon abhalten können gegen vermeintliche Schädlinge in Ihrem Garten vorzugehen, informieren Sie sich bitte im Voraus über alternative Methoden wie z.B.
- Nützlingseinsatz,
- biologische Pflanzenschutzmittel
- Pheromonfallen oder
- biotechnische Methoden
Lassen Sie sich unbedingt fachlich beraten!
Achten Sie darüber hinaus bei der Bekämpfung von Ratten und Mäusen auf die Verwendung verschließbarer Köder-depots, inklusive fachgerechter Ausbringung zum Schutz vor Fremdaufnahme durch Kinder, Hunde, Katzen, freilebenden Gartentieren und kleinen Wildtieren.
Bitte unterstützen Sie unser Engagement für unsere Eichhörnchen!